Angefangen hat die ganze Geschichte eigentlich auf der schottischen Insel Islay, der man nicht ganz zu Unrecht den Beinamen
–die Whiskyinsel- zuspricht.
Der Besuch bildete den Abschluss meiner Erkundungstour durch das Land, in dem man gar nicht umhinkommt, hin und wieder zu
einem Schluck dieses flüssig gewordenen Getreides zu greifen, allein schon deshalb, um den
häufigen Wetterunbilden ein hilfreiches Abwehrschild entgegen zu stellen.
Und so saß ich mit dem Brennmeister einer weltbekannten Destillery in der gemütlichen Probierstube zusammen und hörte nicht nur seinen Erläuterungen zur Herstellung dieses edlen Getränkes interessiert zu, sondern erhielt auch jede Menge Wissen darüber vermittelt, dass man gerade von dieser Insel aus verhindert hatte, dass die USA in der Zeit der Prohibition gänzlich „austrockneten“.
Um so mehr haben sich die Schotten dann später darüber geärgert, das sich bei der amerikanischen Schreibweise
des Wortes „Whiskey“, das „e“- wie beim Irish Whiskey durchsetzte.
Die Iren waren allerdings auch nicht gerade faul, ihre Brüder in der Neuen Welt in dieser „Trockenzeit“ mit entsprechendem Material
zu versorgen, und sie lagen mit ihrer „Grünen Insel“ eben noch ein paar Kilometer näher am Ziel, was vielleicht als Erklärung
für diese Entwicklung der Schreibweise dienen kann.
Die Brenner aus Islay hatten damals jedenfalls alle Hände voll zu tun und der Einfallsreichtum, ihre Produkte auch tatsächlich
an den Mann zu bringen, kannte keine Grenzen.
So hatte man riesige Handelsagenturen auf Kuba, Kanada oder kleineren Karibikinsel beliefert und entlang der Ostküste lagen
Hunderte von Schiffen auf Reede, immer bereit, ihre hochprozentige Fracht an Land zu bringen.
Und wie kreativ man dabei vorging, davon konnte ich mich in der Destillery augenscheinlich überzeugen, findet sich doch hier
noch eine Art von umgebauten Torpedo, mit dem die Flaschen vom Schiff gen Land geschickt worden.
Also wenn das nicht mal eine gelungene Konvertierung von Kriegsgerät ist !
Auf jeden Fall haben diese und viele andere Aktivitäten dafür gesorgt, das –so wird es jedenfalls behauptet- mit Inkrafttreten des „Volstead Act“ am 16. Januar 1920 den Amerikanern sofort die ersten illegalen Drinks zur Verfügung standen.
Und dahinein passt wohl auch die Episode um den großen amerikanischen Schriftsteller Mark Twain, der als ausgewiesener Kenner
und Liebhaber von feinem altem Malt Whisky galt.
Zu der Zeit schon sehr populär, weigerte er sich standhaft ein Buch zu signieren, welches der damaligen „First Lady“,
Mrs. Rutherford Birchard Hayes gewidmet war, einzig, weil diese Dame eine der eifrigsten Verfechterinnen der Totalverbannung
aller alkoholischen Getränke war.
Mark Twain gehörte schon immer zu meinen Lieblingen unter den amerikanischen Literaten ! Mit all diesen Rückerinnerungen
an eine raue Insel vor der schottischen Atlantikküste im Gepäck, rollte ich jetzt durch eine milde, liebliche und äußerst
reizvolle Landschaft auf der anderen Seite des Weltmeeres, gespannt auf neues Entdecken, denn eines hatte mir der Brennmeister
abschließend mit auf den Weg gegeben:
Wenn du Gelegenheit hast, besuche die Brennereien in Kentucky und Tennessee, dieser Whiskey ist zwar beileibe kein Scotch,
aber „not bad“, was im Sprachgebrauch, soweit kannte ich die Schotten durchaus, höchste Anerkennung verhieß.
In dem kleinen Örtchen Lynchburg, dem Sitz der wohl bekanntesten Destillery „Jack Daniels“ finden sich jede Menge an interessanten Details über die hiesige Herstellung des Whiskeys und so ist natürlich am auffälligsten, wie sich die hiesigen Ansätze zu denen ihrer europäischen Ahnen unterscheiden.
Offiziell wird amerikanischer Whiskey definiert als „Alkoholdestillat aus vergorener Getreidemaische mit weniger als 95% Alkohol, welcher durch verschiedene Verfahren und Mischungen zum Schluss in Flaschen kommt, die nicht weniger als 40% Alkohol ausweisen“.
Ob es sich hier um eine schlechte Übersetzung der Vorschriften handelt oder ob möglicherweise ein ausgewanderter deutscher Bürokrat
an der Formulierung geholfen hat, ist mir im Verborgenen geblieben.
Jedenfalls entstehen auf diese Art letztlich die Hauptkategorien Rye, Bourbon, Corn und Light Whiskey.
Im Gegensatz zu den europäischen Bränden spielt bei den Ausgangsmaterialien der Mais eine entscheidende Rolle, dessen Anteil zum Beispiel beim Bourbon mindestens 51 % der Gesamtmenge beträgt, und der ganz wesentlich die Geschmacksbildung beeinflusst.
Wieso sich eine solche Entwicklung vollzog ,ist recht spannend und man staune einmal darüber ,was Steuerbehörden doch auch für kreative Entwicklungen
initiieren und beeinflussen können.
Als nämlich die ersten Siedler die Neue Welt betraten, hatten sie nicht nur ihre Zukunftshoffnungen und ihren Optimismus im Gepäck
,sondern an Bord von „Mayflower“ und „Arabella“ auch einiges an alkoholischen Vorräten, die die Angst vor dem Ungewissen und die
gewaltigen Kraftanstrengungen der Erschließung ein wenig milderten.
Mit dem Schwinden dieser mitgeführten Bestände bestand dann bald die Notwendigkeit, eigene Produktionen zu errichten, was auch recht schnell
in Angriff genommen wurde.
Doch nicht im Süden, sondern in Pennsylvania wurde 1683 der erste amerikanische Whiskey destilliert.
Ob diese Jahreszahl auch wirklich den historischen Anlass widerspiegelt, will ich mal dahingestellt sein lassen, denn es gab wohl
keine Farm zu dieser Zeit, in der nicht die Brennblase für kräftigen Nachschub von „Lebenswasser“ sorgte.
Und so kam es wie es kommen musste: Sehr schnell erkannte der Fiskus, das hier prima Abgaben akquiriert werden können.
Welch ein Aufschrei der Empörung ging durch das Land. Vor kurzem hatte man sich massiv mit dem englischen König Georg III angelegt,
weil der den geliebten Tee besteuern wollte, hatte seine Unabhängigkeit erkämpft und schon kam ein neuer George, namens Washington daher,
der den nicht weniger beliebten Whiskeys eine ordentliche Steuer aufbürdete.
Doch war die Wut der Leute auch noch so groß, am Ende setzte eine regelrechte Armee von Soldaten und Geschützen das neue Steuerrecht durch.
Die Destillerien gaben auf oder machten sich auf den Weg in andere Regionen, immer von der Hoffnung getrieben, dem Fiskus entfliehen zu können.
Und auch wenn sie letztlich nur die schmerzvolle Erfahrung machen mussten, das sie gemäß einem alten deutschen Volksmärchen zwar nicht vom Igel,
sondern überall schon von einem Finanzbeamten mit den Worten empfangen wurden- „ich bin schon all hier“, so war diese Suche doch letztendlich
für die Qualität des Getränkes von großem Vorteil.
Fanden sie doch in Kentucky beste Böden für den Maisanbau und im „Blue Gras Land“ eine gewaltige Kalkplatte bis nach Indiana und Tennessee, unter der ein hervorragendes Quellwasser dahin fließt.
Jeder Brennmeister diesseits und jenseits des Atlantik schwört auf die Qualität des verwendeten Wassers wie ich in den schottischen Highlands, auf Islay, in Lynchburg oder auch in Clermont immer wieder gehört habe und was jede Verkostung ein ums andere mal schmeckbar bestätigt.
Wobei - mit der Verkostung ist das wieder so eine Sache. Kehren wir kurz zurück auf die Insel Islay. Nach der umfänglichen Besichtigungsrunde saßen wir im urigen Probierraum und ergötzten uns an kleinen Proben von feinem Malt unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Und mit jeder der Proben gingen Geschichten einher oder solch Richtung weisende Erkenntnisse, wie die Feststellung, das Whisky - genau wie der Mensch - mit zunehmendem Alter deutlich an Format gewinnt.
Und natürlich wurde auch die Sache mit dem Angel's Share nach einigen Proben deutlich realistischer eingeschätzt als zu Beginn der Session. Der rationale Hintergrund ist dabei der, dass jährlich etwa 2% des Inhaltes eines gefüllten Fasses durch seine Wände diffundieren. Dieser Verlust wird den Engeln als ihnen rechtmäßig zustehender Anteil am Destillat zugebucht. Betrachtet man nun die Anzahl der auf der Insel lagernden Fässer, kommt man zu dem Schluss, dass diese Insel tatsächlich kein so schlechter Ort für einen Engel ist !
Und nun zurück nach Lynchburg. Eine Verkostung gibt es nicht. Die Führung durch die Objekte ist grandios, aber eine Verkostung fällt aus,
da man sich in einem sogenannten „dry county“ befindet. In diesem „trockenen Bezirk“ gibt es keinen Tropfen des hier produzierten
köstlichen Whiskeys zum Probieren - und das tatsächlich schon seit der Prohibition. Ich habe den netten Erklärer gefragt,
wie es denn hier mit dem Verdunsten aus dem Fass so ist und die Sache mit dem Angel's Share war ihm natürlich bestens bekannt.
Mein Hinweis, dass das mit dem Verkosten dann ja doch nicht ganz so ernst gemeint sein kann, führte zu ernsthaftem Nachdenken bei ihm,
und letztlich zu der Erkenntnis, das darüber einmal mit dem Sheriff geredet werden müsste, wie er mit ernster Miene augenzwinkernd
antwortete! Erfreulicherweise finden sich dann – gar nicht so weit entfernt – doch noch Regionen, in denen man die
hohe Kunst der Brennmeister aus Kentucky und Tennessee kennenlernen kann und das nicht nur Jack Daniels
oder Jim Beam fantastische Produkte herstellen, ist spätestens dann klar, wenn man solche erlebt wie George Dickel,
Even Williams, J.W.Harper, Maker´s Mark, Old Forester oder auch Wild Turkey.
Und mit der Landschaft regelrecht verwachsen kommen zu guter Letzt dann noch die Whiskeyliköre daher, bei denen sich guter, alter Bourbon reizvoll mit Pfirsichen, Orangen, Limonen, Honig und sehr geheimen Kräutern vermischen und zu einer wahren Sinfonie geschmacksintensiven Geschehens explodieren.
Und so schwer wie es mir immer fällt, aus einer Vielzahl erstklassiger Produkte einen Favoriten zu benennen, bin ich diesmal doch so kühn und lege mich auf einen Kentucky Straight Bourbon aus der Blanton Destillery in Frankfort fest, und das bestimmt nicht nur wegen der originellen Idee, mit einer rassigen Pferdeminiatur auf dem Korken, an die große Tradition des Bundesstaates in der Pferdezucht zu erinnern oder auf das weltberühmten Kentucky Derby hinzuweisen !!